Interview - Dialog mit Siegward Sprotte
Landschaft war für ihn lebenswichtig - Dialog mit Siegward Sprotte PNN-Interview mit Anja Möller vom 25.06.2013 Frau Möller, wie haben Sie Siegward Sprotte kennengelernt? Ich habe Siegward Sprotte in Bornstedt kennengelernt. Das war im Jahr 2001, als er im Rahmen der Bundesgartenschau auf dem elterlichen Grundstück einen Vortrag gehalten hat. Im Anschluss habe ich ihn dann angesprochen. Daraus wurde ein Gespräch, das vier Stunden dauerte. Vier Stunden? Ja, dabei hat ihn vor allem interessiert, womit ich mich beschäftige, was meine Themen sind. Um welche Themen ging es? Um die Verbindung vom Menschen mit Gärten, Stadt und Landschaft. Und dann hat Siegward Sprotte Ihnen einen Vortrag gehalten? Bei Sprotte gab es keinen Vortrag, der sich mit einer Überschrift zusammenfassen ließe. Er hat das selbst mal als „einthemige Variationen“ bezeichnet. Sprotte war ein Meister im verflechten von Zusammenhängen. Vieles war bei ihm spontan, dabei hat er aber immer auf sein Gegenüber geachtet, wie es auf seine Worte reagiert. Also ganz nach seinem bekannten Prinzip des Dialogs? Ja, darin war er ein Meister. Er hat seine Erzählungen mit persönlichen Geschichten verbunden. Das hat mich sehr angesprochen, weil er so nie im Allgemeinen blieb. Als ich ihn nach dem Vortrag ansprach, standen wir noch im Atelier. Dann nahmen wir Klappstühle und setzten uns in den Garten, weil, so Sprotte, das besser passte. Er fragte mich, ob mich sein Freund Karl Foerster interessiert. Als ich das bejahte, fragte er, ob ich etwas zum Schreiben dabei hätte. Dann hat Sprotte mir seine Antwort auf meine Frage nach der Verbindung vom Menschen mit Gärten, Stadt und Landschaft in Geschichten über den Gärtner Karl Foerster förmlich druckreif diktiert. So habe ich elf Seiten am Stück in meiner Kladde beschrieben. Episoden über den Staudenzüchter und Gartenphilosophen Foerster, mit denen er sein Verständnis von Menschen und Natur beschrieb? Er erzählte beispielsweise von Karl Foerster, wie er in seinem Senkgarten einmal ein Konzert veranstaltet hat und viele Menschen kamen. Darunter waren auch Liebespaare, die sich etwas abseits in die Pflanzen gelegt hatten. Am nächsten Tage stellte er fest, dass viele Pflanzen zerdrückt waren. Siegward Sprotte erstaunte am meisten, dass Karl Foerster darüber gar nicht böse war, sondern den Menschen gleichwertig in seinem Garten sah. Und so schien es Sprotte, dass der Pflanzengärtner Foerster auch ein Menschengärtner war. Also sah Sprotte Mensch und Natur immer in einer Einheit? Ja, ihn hat wie die Natur auch der Mensch sehr fasziniert. Und indem er mir mehrere solcher Episoden von Karl Foerster erzählte, wurde das deutlich. Für diese Verbindung von Mensch und Natur, also Architektur mit künstlichen und natürlichen Landschaften, ist Potsdam ja ein herausragendes Beispiel. Haben Sie auch darüber gesprochen? Siegward Sprotte hat mir in unserem ersten Gespräch sehr ans Herz gelegt, den Bornstedter Friedhof genau zu betrachten. Warum ausgerechnet den Bornstedter Friedhof? Der Bornstedter Friedhof ist insofern von Bedeutung, weil sich hier die ganze Kulturgeschichte in mehreren Etappen erleben lässt. Ein ganz besonderes Moment war für mich der Sello-Familienfriedhof, der von einer Pergola eingerahmt ist. Als diese gebaut wurde, gab es den Friedhofsteil dahinter noch nicht und man konnte direkt in die Feldmark schauen. Und diese Verbindung von Tod und Leben, diese Transparenz, das ist hier sehr gut zu erleben. Wie sind die Räume gestaltet? Wie gehen sie ineinander über? Gibt es hier einen Dialog? Ich habe viele Antworten auf meine Fragen an diesem Ort gefunden. Gab es weitere Gespräche mit Siegward Sprotte? Ja, aber vor allem sind wir schriftlich in den Dialog getreten. Daraus ist ein sehr umfassender Briefwechsel von mehreren Hundert Seiten entstanden. Wie haben Sie Siegward Sprotte in dieser Zeit erlebt? Er war ein sehr intensiver Gesprächspartner. Er hat mir sehr viele Impulse gegeben, Geschichten erzählt, und das oft mit einem sehr feinsinnigen Humor. Dieser feine Humor war eine ihn sehr prägende Eigenschaft. So schrieb er mir in einem der Briefe über eine Begegnung mit einer Museumsdirektorin, die seinen Lehrmeister Karl Hagemeister nicht besonders mochte, weil der ihrer Meinung nach nur Ausschnitte, aber nie das Ganze malte. Statt das Meer, nur eine Welle, beschwerte sie sich. Er fragte sie dann, ob sie verheiratet sei und ob sie mit ihrem Mann die gesamte Männlichkeit erleben könne oder ob sie dafür mehrere Männer braucht. Da antwortetet sie fast schon entrüstet: selbstverständlich. Und in dem Moment wurde ihr klar, was Siegward Sprotte sagen wollte: dass ein Thema in der Essenz verdichtet und damit auch alles gesagt werden kann. Im Leben wie auch in der Kunst. War Sprotte für Sie auch ein Philosoph? Auf jeden Fall. Und diesbezüglich war der Dialog für ihn ganz wichtig, den er mit dem Begriff „Auge in Auge“ umfasst. Es ging ihm nicht darum, dass Meinungen oder Positionen ausgetauscht, sondern gemeinsam bestimmte Ideen und Sichtweisen entwickelt werden. Er war ein Mensch, der seinem Gegenüber immer sehr direkt in die Augen geblickt hat. Dieses „Auge in Auge“ war bei ihm also nicht nur graue Theorie. Und ich weiß, dass es manche sehr verunsichert hat. Was für ein Verständnis hatte Siegward Sprotte von der Landschaft. Landschaft war für ihn lebenswichtig. Und hier auch der ständige Wechsel zwischen Norden und Süden. Die Nordsee stand für ihn für den Norden, wo er eine ganz bestimmte Farbigkeit, vor allem in der Dämmerung fand. Der Süden, hier Italien und Portugal, war ihm dagegen mehr Knochengerüst der Erde, wie er es nannte. Durch die Steine und Felsformationen gibt es eine klare Grundstruktur, aber auch eine andere Farbigkeit. Diese Wechsel brauchte Sprotte. Und was war ihm an der Landschaftsgestaltung wichtig? Wer Landschaften, Städte oder Gärten gestaltet, schafft etwas, das sehr lange präsent ist. Einen Raum, den Menschen erleben, wahrnehmen und in dem sehr viel Leben abläuft. Dabei handelt es sich nicht um ein Bild, das wir einfach abhängen oder eine Skulptur, die wir einfach wegstellen können. Durch Landschaftsgestaltung entsteht eine Verantwortung für das Gemeinwohl über mehrere Generationen hinweg. Diese gestalterische Verantwortung war für Siegward Sprotte ein sehr wichtiges Thema. War Ihr Verhältnis zu Siegward Sprotte all die Jahre immer nur das eines Lehrers zu seiner Schülerin oder entwickelte sich daraus mit der Zeit auch eine Freundschaft? Siegward Sprotte war einer meiner wichtigsten Lehrmeister. Aber ich brachte auch viele eigene Ideen mit und wurde so Dialogpartner. Als eine Freundschaft würde ich das Verhältnis aber nicht bezeichnen. Hat Siegward Sprotte Ihnen für bestimmte Dinge die Augen geöffnet? Ja, die ich dann oft selbst entdecken musste. Er war kein Lehrer der gesagt hat, so und so ist es. Sprotte hat Geschichten erzählt, mir so Impulse gegeben und damit die Augen geöffnet. Dabei hat er aber immer eine Eigenständigkeit in der Anschauung gefordert. Das Gespräch führte Dirk Becker |
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Siegward Sprotte: Blaue Woge, 1999 Auszug aus dem „Stegreifdiktat“, das Siegward Sprotte 2001 im Garten diktierte und Anja Möller mit „fliegender Feder“ mitgeschrieben hat
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